Montag, 28. Oktober 2013

Dritter Generator Osterhase

Gestern war Zeitumstellung - eine ganze Stunde mehr Schlaf stand mir zu, und das vor dem Frühdienst. Abends hatte mich die Aussicht auf einen ausgeschlafeneren Tagesbeginn noch ein wenig begeistert. Um 4.55 Uhr, als der Wecker schrie, sah das schon anders aus. Aber man konnte sich ja immerhin einreden, man habe von der geschenkten Stunde profitiert. 
Nach dem Frühdienst und einer Hunderunde im Herbststurm zog es mich also nicht weniger heftig auf die Couch als die ganze Frühdienstwoche zuvor. Aber vor mir lagen drei freie Tage mit einer geliehenen Playstation auf der Couch und ein neuer Tatort aus München. Mir gehörte die Welt...

...bis um 18.15 Uhr das Handy klingelte und sich herausstellte: Ich musste zum Nachtdienst. Ohne Playstation, aber mit der Aussicht auf einen Favoriten des Tages. 

Und das war dann dieser hier:

 Wer in den letzten Stunden in NRW aus dem Fenster geschaut oder einen Hund vor die Tür gezerrt hat, weiß: Es ist eine dieser Nächte, in denen man sich zweimal überlegt, ob der tiefergelegte 3er BMW wirklich verdächtig ist und unter welchem Tankstellendach man den Fahrer halbwegs trockenen Fußes überprüfen kann.

Die Gehwege sind (wie) leergefegt, bis wir auf einen jungen Mann stoßen, der beim Überqueren einer Seitenstraße von den Rücklichtern eines haltenden Autos offenbar geblendet seine Augen mit den Händen bedeckte. "Guck mal, der ist komisch, oder?" - wir sind uns einig. Und je näher wir kommen desto verwirrter erscheint er uns, spricht mit sich selbst und gestikuliert wild, als sei er von seinen eigenen Argumenten nicht überzeugt.
Nicht, dass der Knilch irgendwo vermisst wird. Bei dem Wetter ist doch kein normal denkender Mensch ohne Grund unterwegs...

Im Augenblick sind wir regelmäßig zu dritt unterwegs. Unsere Praktikantin darf üben, wie Polizei funktioniert und hat nach einem längeren Theorieteil und einem Praktikum bei der KriPo seit heute wieder ihre Uniform an.
Wir steigen also alle drei aus. Die Auszubildende, die eigentlich Studentin ist und bald hoffentlich ihren "Bachelor of Arts" in der Tasche hat (ja, so ist das bei der modernen Polizei...) versuchte ihr Glück. "Guten Abend. Mein Name ist ____ von der Polizei ____. Personenkontrolle. Alles ok bei Ihnen? Können wir helfen? Was machen Sie denn hier?" 
Der Mann trägt eine weiße 70er-Jahre Adidas-Shorts über seiner Jeans und auf dem Kopf eine Frisur, die aussieht wie eine sturmgeschädigte Micky-Krause-Perücke. Er erklärt uns, dass er spazieren geht. Hm. Im Unwetter... Darf er ja, aber wir haben immer noch Bedenken, dass man ihn irgendwo vermissen könnte und er vielleicht dorthin auch nicht mehr zurück findet.

"Wann sind Sie denn geboren, Herr ______?"
"17. Siebter Siebzig, dritter Generator Osterhase."
"Bitte?!" - jetzt nicht provozieren, das hat die junge Kollegin schon prima drauf. Während ich mich kurz schmunzelnd beiseite drehe und froh bin, dass sie auch solche Verwirrten nicht mehr aus der Reserve locken, erklärt sie Micky Krause, dass sie kurz seine Daten abfragt. 

"Guuutttt!" sagt der und stratzt weiter. "Nein, warten Sie!" halte ich ihn auf. Er ist genervt. "Die Kollegin hat doch gesagt, sie hakt das ab!" - "Nee, sie fragt das ab!" - "Ach so." Micky wartet, die Azubine und ich verkriechen uns mädchenmäßig kichernd ins Auto. "Dritter Generator Osterhase!" - wir fragen uns, was er wohl gemeint haben könnte, und was der Kollege wohl draußen noch so mit ihm smalltalkt. 
Einen großen Erkenntnisgewinn konnte er aus dem Gespräch wohl nicht ziehen. Jedenfalls sagte auch er die nächsten Stunden immer mal wieder die magischen Worte "Dritter Generator Osterhase" vor sich hin...

Nach der Abfrage stellt sich heraus, dass unser Micky Krause weiter im Regensturm spazieren gehen darf, weil er wohl verwirrt aber nicht hilflos ist.
Das gefällt mir und ich stelle immer wieder fest, dass ich mich freue, die ganz normal Verrückten zu treffen. Die machen die Welt irgendwie bunter. Ich halte es da mit den kölschen Grundsätzen - „Jede Jeck ist anders.“ und „Jet jeck simmer all.“ 

...und den Rest der Nacht wissen wir, was wir antworten, wenn uns ein Kollege was fragt.

In diesem Sinne: 
Dritter Generator Osterhase 

Sonntag, 13. Oktober 2013

Kommissar Zufall steht im Wald

Der Herbst ist da, und was liegt näher, als bei Tee, Keksen und Wärmflasche gemütlich auf der Couch ein paar Zeilen hier einzuhacken?!

Da mir in den letzten Tagen nichts passiert ist, was sich vom alltäglichen Wahnsinn ausreichend abgehoben hätte um hier erzählt zu werden, behelfe ich mir mit einer älteren Begebenheit. 

...und die geht so:

Ein Nachtdienst im Frühjahr. Das Wetter ist endlich mal wieder lau und so verlegen unsere Kunden langsam ihr Leben nach draußen. Für uns heißt das, dass die Einsatzbelastung zunimmt und wir in dieser Nacht zwischen Streitigkeiten, Ruhestörungen und was auch immer hin und her tingeln. 
Der Kollege, mit dem ich unterwegs bin, möchte schon seit mindestens einer Stunde die Wache anfahren; er muss mal für kleine Gesetzeshüter, aber irgendwie kommen wir nicht so recht dazu. Jetzt, da sein Problem langsam zu drängen beginnt, kommt ein Nachbarschaftszwist dazwischen.  Auf dem Weg dorthin fährt der Kollege plötzlich von der Bundesstraße auf einen abgelegenen Schotterparkplatz.

"Die Nachbarn müssen einen kleinen Moment warten. Ich muss mal." raunzt er, springt aus dem Streifenwagen und hat sich in den nahen Wald verdrückt. Zum Glück besteht hier nicht die Gefahr, dass uns - bzw. ihn - hier irgendwer beobachten könnte. Was sollen denn bitte die Leute denken?! Aber was raus muss, muss raus. Und so mitten im Wald... na, wollen wir mal nicht so streng sein...

David (so nennen wir ihn einfach mal, eigentlich heisst er anders, aber bevor er jetzt noch Ärger bekommt, wegen wilden Urinierens...) ist nicht mehr zu sehen. Zu hören glücklicherweise auch nicht... ;-)

Ich lasse meine Gedanken schweifen. Am anderen Ende des Waldparkplatzes rascheln Tiere im Gebüsch. Sicher Rehe - hoffentlich keine Wildschweine. Die sind mir ja nicht so lieb... Langsam könnte David wiederkommen... Warte... Da sind doch Leute. Ich kneife die Augen zusammen und konzentriere mich. 
In gut 200 Metern Entfernung huscht eine Gestalt aus Richtung Straße zu einem Auto, oder ist es ein Lieferwagen? Dann kommt der nächste. Schatten Nummer eins ist schon wieder zur Straße verschwunden. Was machen die da? Und wo bleibt David? 
"Daaaaaaaaavvvvvviiiiiiiiid, Daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaavvvvviiiiiiiiiiiiiiiiiid!" ich rufe flüsternd durch sein offenes Fahrerfenster. Er hört mich nicht. Ich versuche es ein wenig lauter, die Schatten rennen noch immer hin und her. Gehört haben sie uns wohl nicht.

Auf der anderen Straßenseite ist ein Schrottplatz. Beobachte ich gerade Schrottdiebe auf frischer Tat, während der Kollege gemütlich und nichts ahnend im Wald austreten ist?! Kannjawohlnichtwahrsein!

Da kommt David endlich zurück. Ich zische ihn an: "Niiiicht die Tür schlagen. Nichts sagen. Da: Guck mal!" Jetzt sitzen wir zu zweit im dunklen Auto und starren in die Nacht. 
Die Personen sind kurz verschwunden. Wir melden der Leitstelle wo wir sind (zum Glück fragt niemand, was wir da wollten) und dass wir verdächtige Beobachtungen machen. Aus dem Nachbarort kommt ein zweiter Wagen als Unterstützung.

Als sie wieder auftauchen, schlagen sie die Heckklappe zu und steigen in den Wagen. Licht geht an. Wir schalten auf Festbeleuchtung und können kurz darauf vier Kleinkriminelle festnehmen und einen Kleintransporter voller Schrott sicherstellen.
In der Anzeige habe ich die Entstehung der Situation etwas anders formuliert. Sinngemäß dürfte da stehen: "Am... um... befuhren wir im Rahmen der Streifentätigkeit den Parkplatz an der XY-Straße..."

Wenn ihr also mal in den einsamsten Wäldern Streifenwagen entdeckt, nicht wundern: Das sind die Kollegen, die diese Geschichte kennen und auf Unterstützung von Kommissar Zufall hoffen. 



Freitag, 4. Oktober 2013

GudnMorgn

Puh. Fünf Fruhdienste am Stück - heute morgen war ich zu nix mehr imstande. Beispiel?!
Kommt ein Mann zur Wache und sagt (schneller sprechend, als ich um sieben Uhr denken kann): "Mein HundstgesernAm'dübefahn worden. Kanni'dajtzt'nfos ha'm?" Ich verstehe nur Bruchstücke, habe mir aber einen Sinn zusammengereimt und krame im Computer nach dem passenden Einsatz von gestern. 
"Was möchten Sie denn wissen?"

"Nein! 'chmöchtePers'nalien abge'm." - "Von wem? Ich glaube, ich habe Sie noch nicht so ganz verstanden."
Na: Mein HundstgesternAm'dübefahn worden. Abends. Neun Uhr."

Abends um neun. Das sollte sich finden lassen. Unfälle, tote Tiere, ich klicke und kratze mir den Schädel. Kein Einsatz mit Hund. 

"Jetzt is'seinHandyweg. Die ander'n zwei war auschon beiIhn!"

Häh? Innerlich spule ich zurück. 'Hund überfahren?!' - Nein. Sohn überfallen. Sein SOHN wurde überfallen. 

Naja, ich hab's ja irgendwann dann auch kapiert.

Ab übermorgen dann BITTE wieder Nachtdienst. Danke!