Mittwoch, 17. April 2013

De omweg

Auch heute geht es um weibliche Navigation, allerdings ohne TomTom. Man munkelt ja, das räche sich zuweilen. Im März 2011 zum Beispiel:

Das Dorf, in dem ich arbeite, findet sich - Einheimische mögen mir die folgenden Zeilen großherzig verzeihen - nicht zwingend unter Nordrhein-Westfalens Top10 der angesagtesten Ausflugsziele. 
Trotzdem übergeben uns die Kollegen des Spätdienstes zu Beginn einer lauen Samstagnacht eine Touristin, die ohne unsere Hilfe vermutlich noch heute im Dorf verschollen wäre. Aber fangen wir ausnahmsweise mal vorne an.

Die Omi, die mir am Wachtisch gegenübersteht, spricht laut und deutlich in einer Sprache, die nicht meine ist. Sie erzählt etwas von "Kerk um tien uur" und einem "Uitstapje" mit ihrer "Vriendin", die direkt an der "Grens" wohnt.
Aber die Grens zu den Niederlanden ist geschlagene 120 Kilometer und mindestens vier Autobahnkreuze entfernt?! Sie versteht mich nicht recht. Ich verstehe, dass sie morgen um zehn in die Kirche möchte und eigentlich nur eine Freundin an der Grenze besuchen wollte. Hätte ja klappen können... 
Es stellt sich heraus, dass besorgte Anwohner sich bei der Leitstelle gemeldet haben, weil die Omi mit ihrem käsefarbenen Kennzeichen über Stunden durch die Reihenhaussiedlung brauste, ohne je irgendwo zu klingeln. Zum Glück wurde sie schließlich von einem Kollegen angehalten, dessen Niederländisch so weit über eine Frikandel-Bestellung hinaus reichte, dass bald klar wurde: Omi ist leicht vom Kurs abgekommen und möchte nach Hause.

Und Omi hat Hunger, denn - Hut ab vor ihrer Ausdauer - sie hat seit Freitagmorgen (Ja: Alle noch mal hübsch oben nachlesen, wann sie aufgegabelt wurde) in einem Wohngebiet in NRW ein Haus gesucht, das tatsächlich 120 Kilometer entfernt irgendwo an der Grenze nahe Venlo steht. Und zwar auf der niederländischen Seite. 
Nun hat unser hügeliges Revier mit Venlo ungefähr so viel Ähnlichkeit wie Omis Heimatland WM-Titel - um unsere Frau Antje zu verwirren hat es wohl trotzdem locker gelangt!
Bei Schokoriegeln und Mineralwasser schmieden Omi, der Kollege und ich also einen Plan für ihre Heimkehr. Die Überlegungen, ihr den Weg zu skizzieren, eine Routenplanung auszudrucken oder einfach "veel Geluk" zu wünschen, scheiden aus. Das Blümchen auf der Rückbank ist schon schrumpelig. Noch eine Nacht im Auto, womöglich noch weiter östlich, und Omi wird genauso welk - Das können wir nicht riskieren. Wie kriegen wir also einen nahezu leergefahrenen 60-PS-Fiesta, das durstige Blümchen und Omi wieder zurück in die Heimat?! Das Barvermögen der Weltreisenden beschränkt sich auf 20.- Euro (immerhin keine Gulden mehr, die letzte Währungsreform scheint sie noch in der Heimat verbracht zu haben), eine EC-Karte hat sie nicht und Verwandtschaft ist telefonisch (natürlich) nicht zu erreichen. Auch die Freundin, die sicherlich bei erkaltetem Koffie ebenso ausdauernd in den Niederlanden auf ihr Blümchen wartet, geht (natürlich) nicht ans Telefon. Ist ja auch schon spät... 

Als wir beratschlagen, ein Hotelzimmer zu buchen und am nächsten Morgen in Omis Sinne weiter zu telefonieren, meutert sie. Stimmt: Kerk, tien uur - Ich vergaß: So viel Zeit hat Omi nun wirklich nicht. Die hat sie ja auch zwischen nordrhein-westfälischen Reihenhäusern vertrödelt.

Über Umwegen erreichen wir telefonisch die Polizeiwache aus Omis Heimatdorf. Der Kollege mag uns die ganze Story wohl erst nicht so recht glauben, bittet um Bedenkzeit und vereinbart schließlich einen Treffpunkt, an dem wir ihm Omi in die Hand drücken dürfen. Das hatte ich mir irgendwie komplizierter vorgestellt. Omis Chancen auf den heimischen Kirchenbesuch sind soeben sprunghaft gestiegen. Also: Omi ins Auto und "Hup Holland, hup"!

Ich sag jetzt mal nicht, wo wir sie samt Fiesta und Blümchen an die Politie übergeben haben. Auf dem Weg dorthin haben wir jedenfalls ihre Reiseersparnisse in Benzin investiert, der Kollege hat sich sehr viel holländisches Gebrabbel angehört, davon sehr wenig verstanden und am Ziel hat die Chocomel sehr authentisch geschmeckt.

Überliefert ist übrigens, dass Omi jetzt zwar keinen Führerschein mehr besitzt, dafür aber pünktlich zum Gottesdienst zuhause war. Und den Koffie bei der Freundin kann man ja vielleicht in die Mikrowelle stellen. Omi hat doch sicher ein Fiets, mit dem sie zum Kaffeeklatsch radeln kann. Oder - noch besser - sie lässt sich abholen.

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